Thursday, May 17, 2007

Truk Wrecks, Part II: Fujikawa Maru (German)

It's been a while since I dived in Micronesia in March. To prevent my mind from forgetting all the details of diving those magnificent wrecks I tried to write down my impressions from one of the dives. Why not sharing it with you?
I wrote it in German and until now I didn't translate it into english. I hope I will be diligent enough to translate it in the near future. Until then this very long posting is only for my German speaking friends.


Fujikawa Maru
Der Versuch eines Berichts über einen Tauchgang auf einem der Wracks in Truk Lagoon, Mikronesien im März 2007


Der Telegraph am Bug *)

Da bin ich dann also. Es ist duster, der Lichtschein meiner Lampe zuckt über Cockpit und Tragfläche eines japanischen Zero-Fighter Kampfflugzeugs und mein Vordermann hat ein paar Granaten entdeckt. Ich könnte nicht mal schnell abhauen, da ich im Laderaum eines riesigen Schiffswracks stecke – umgeben von tausenden Tonnen rostenden Metalls.

Wegen einem Moment wie exakt diesem bin ich also um die halbe Welt gereist. Ja genau und es ist jeden blubbernden Atemzug wert.

Vor einer halben Stunde war ich, zusammen mit zwei Franzosen, einem Australier und zwei mikronesischen Crew-Mitgliedern in ein ziemlich großes Schlauchboot gestiegen und ein paar Minuten über das tiefblaue Wasser der Truk Lagoon gebraust. Truk (oder neuerdings auch Chuuk genannt) ist eine winzige Inselgruppe im Südpazifik, ein paar tausend Kilometer nördlich von Australien. Diese Inseln wären garantiert von Gott und der Welt vergessen, hätten die Amerikaner im 2. Weltkrieg nicht hier während eines zwei Tage dauernden Angriffs die halbe kaiserlich-japanische Kriegsflotte versenkt. Und in einem dieser Wracks schwebte ich.

Unser Guide Paco hatte das Schlauchboot mitten im Nirgendwo gestoppt, sich zu uns umgedreht und grinsend gesagt „Ok folks, we are now on Fujikawa Maru“.
Auch nach mehrmaligem Ausschauhalten kann ich keine Boje oder gar ein mit Kreide aufs Wasser gemaltes Kreuz erkennen, welches die Stelle markieren würde. Das Meer sieht hier genau so aus wie an jeder anderen Stelle auch. Aber nachdem Paco die letzten Male Recht hatte, glaube ich ihm auch diesmal. Blöde Tauchguide-Angeberei – ich verfahre mich sogar in meiner eigenen Stadt mit Navigationssystem.

Nachdem Paco in seinem absolut unverständlichen Trukki-English erklärt hatte, was uns da unten erwarten würde, gab er noch ein „Let’s go“ von sich und wir quälten uns in unsere Ausrüstung.
Naja, „quälen“ traf es bei mir eigentlich nicht. Ich liebe dieses „Anrödeln“. Ich mag die Tatsache, dass man nicht einfach seine Joggingschuhe anziehen, die Haustür öffnen und sofort seiner Sportart nachgehen kann. Beim Tauchen – und besonders beim Wracktauchen – ist es unumgänglich, vorher zu besprechen, was man tun will, erstmal aufwändig zum „Stadion“ zu fahren und dann all das technische Gerät nochmals und nochmals zu prüfen.


Gewichte für den Bleigurt

Mein Buddy war dieses Mal der Australier Peter. Als er auf die Druckanzeige meiner Atemluft schaute und „190 bar – that’s not too much“ murmelte, verfluchte ich innerlich wieder Paco, weil er beim Analysieren meines Tanks wieder viel zu viel wertvollen Inhalt verschwendet hatte. Ich brauche im Vergleich zu den anderen eh immer relativ viel Luft und die anderen hatten 30 bar mehr in ihren Flaschen. Aber es war eh nicht zu ändern – warum muss ich auch mit Nitrox anstatt mit normaler Atemluft tauchen? Selber schuld, wenn mir der Sauerstoffgehalt der normalen Atemluft nicht ausreicht und ich auf der supersicheren Seite sein will.

Nach dem Sprung ins Wasser und dem Abtauchen sah ich, dass Paco auch dieses Mal den richtigen Riecher hatte. Genau unter mir lag ein gigantischer eiserner Leichnam, der so groß war, dass sein Ende sich im Blau verlor.
Während des Hinabgleitens versuchte ich mich zu orientieren: Aha, hier war der Bug, dort die Brücke und die dunklen Löcher dort mussten die vorderen Laderäume sein – unser erstes Ziel.

Ich ließ mich zwischen zwei Stahlträgern in den Laderaum sinken und stoppte meinen Sinkflug, indem ich zischend etwas Luft in mein Jacket blies. Durch die Ladeluke leuchtete blaues Licht herein und tauchte alles in eine surreale Atmosphäre. Diese großen Zigarren da unter mir, waren das Flugzeuge? Ja, da waren die Tragflächen eines japanischen Zero Fighters – und dort gleich noch einer.

Wie gesagt, das war erst kurze Zeit her und nun leuchte ich mit meiner Lampe auf den Pilotenstuhl, auf dem vielleicht ein japanischer Kamikaze-Pilot sein Leben freiwillig beendet hätte, wäre die Geschichte anders verlaufen.


Cockpit Zero-Fighter Kampfflugzeug

In den Ecken des Laderaums entdecke ich Stapel mit schwarzen Schuhen und kleine Fläschchen mit einem weißen Inhalt. Seltsamerweise sehen die Flaschen aus wie neu – wie kleine Salzstreuer. Im Buch „Hailstorm over Truk Lagoon“ habe ich vorher gelesen, dass es wohl Medizinfläschchen seien. Dummerweise gab es gegen den amerikanischen Torpedo, der die Fujikawa Maru im Februar 1943 versenkt hat, kein Gegenmittel. Kein weißes Pulver und auch keine schwerfällige Granate konnten die Fujikawa vor dem retten, was die US Army mit dem Codenamen „Operation Hagelsturm“ versehen hatte.

Ich steige etwas höher und im nächsten Deck liegen große, noch immer scharfe 6 Zoll Geschosse (15 cm). Nur immer schön Abstand halten – man weiß ja nie.
An Flugzeugmotoren und einem teilweise zerlegtem Torpedo folge ich den anderen nach draußen.
Vor mir erhebt sich das, was von der mächtigen Brücke noch übrig ist. Alle Holzteile sind längst verrottet. Geblieben ist ein Gerüst aus wirr durcheinanderlaufenden Stahlträgern.
Wir schweben die Gangway entlang, die auf der einen Seite von einer korallenüberwucherten Wand aus Eisen und auf der anderen Seite vom hellen Blau des Pazifiks flankiert wird. Durch die Dunkelheit im Wrack scheint das blaue Leuchten des Wassers noch viel intensiver zu sein.


Bullauge

Paco deutet auf ein Loch in der Wand und macht eine eindeutige Handbewegung. Als ich in den Raum hinter dem Loch schaue, weiß ich, was er meint: Eine Herrentoilette – die gekachelten Becken sind halb mit Sediment gefüllt. Der Anblick dieses höchst profanen Raums ruft mir wieder in Erinnerung, dass es hier nicht nur um die Berge aus Eisen und Technik geht, sondern vor allem um die Menschen, die auf diesem Schiff ihren Dienst getan haben und mit der Fujikawa Maru in den Tod gegangen sind. Angeblich ist die Fujikawa recht langsam gesunken – ich rede mir ein, dass sich dadurch vielleicht möglichst viele haben retten können. Für mehr als 2000 japanische Seeleute auf den Schiffen in Truk Lagoon gab es allerdings keine Flucht.


Waschbecken, made in Tokyo *)

Der nächste Raum in den Aufbauten ist eine Kombüse mit einem großen Herd und allerlei Küchenutensilien wie Schüsseln und Krügen. Auf dem Herd stehen noch zwei große Töpfe. „Henkersmahlzeit“ schießt es mir durch den Kopf.

Durch die Trümmer der Brücke tauchen wir auf die andere Seite. An manchen Stellen hängen alte Kabel herab, die so dick mit Korallen verkrustet sind, dass sie aussehen wie die Fangarme einer Riesenkrake. Nur nicht hängenbleiben. Ich ziehe alle Schläuche, die von meiner Ausrüstung herabbaumeln, noch näher an meinen Körper.


Ich, tief drinnen *)

Durch ein Fenster gleite ich in einen riesigen Raum, dessen Decke große Löcher aufweist. Das blaue Licht von oben schafft es nur, den Raum in Dämmerlicht zu tauchen, was der Szenerie etwas von einer Kathedrale verleit. Wir sind im Maschinenraum. Unter mir sind große Zylinderköpfe im Halbschatten und auf beiden Seiten umgeben eiserne Stege und Treppen das Herz des Schiffs. Ich bin mega-beeindruckt und ärgere mich, dass ich keine Kamera habe. Meine Mittaucher schauen sich die Zylinder an, während ich hoch über ihnen knapp unter der Decke schwebe. Ich versuche, sie zu mir raufzuwinken, damit sie die Kathedralen-Sicht genießen können. Aber da mich niemand wahr nimmt, lasse ich das wieder und genieße den Anblick.


Schaltpult im Maschinenraum *)

Eine der Stahltreppen führt steil nach unten in die pechschwarze Dunkelheit. Die anderen gleiten gerade hinunter. Whow, das ist wirklich eng und wirklich dunkel. Will ich da runter? Ich lausche in mich hinein. Fühle ich mich wohl? Panikanflüge? Nichts zu spüren. Ich will da unbedingt runter. Ein Blick auf den Tauchcomputer: Luft: 120 Bar – noch mehr als genug; Tiefe: 23 Meter – kein Problem; verbleibende Zeit in dieser Tiefe: 23 Minuten – reicht dicke.
Zeit, die Lampe einzuschalten und kopfüber nach unten in die Nacht zu fliegen.
Eine Sache, die mich am Tauchen so begeistert, ist die dritte Dimension. Es gibt keine Notwendigkeit mehr, am Boden entlang zu laufen – ich kann fliegen. Diesmal ist es ein Sturzflug kopfüber eine Treppe hinunter.


Lampen

Hier ist es wirklich stockfinster und es geht noch mal ein Stockwerk nach unten. Obwohl dieses Wrack nicht besonders tief liegt, zeigt mein Tauchcomputer 29 Meter an. Wir müssen schon fast unten am Kiel sein.
Der Lichtfinger meiner Lampe betastet eine Wand voll mit großen Schaltern und Reglern. An einem Hebel hängt eine Gasmaske. Wieder eine Erinnerung mit dem Holzhammer, dass hier Krieg war.


Gasmaske *)

Die Kollegen erkunden gerade die Reste einer hölzernen Telefonzelle, die den Maschinenraum mit der Brücke verbunden hat. Der Hörer hängt noch auf der Gabel.


Paco auf dem Weg nach innen

Vor mir sehe ich Plastikflossen nach oben verschwinden. Es geht senkrecht nach oben durch eine Art Schacht, an vielen Rohren vorbei. Mein Vordermann schafft es, mit seiner etwas hektischen Beinarbeit, rostigrotes Sediment aufzuwirbeln – direkt vor meiner Nase. Von einer Sekunde auf die andere bin ich in einer roten Wolke und sehe nicht die Hand vor Augen. Zudem bin ich der letzte in der Schlange. Das wäre jetzt einer der Momente um Panik zu kriegen. Mal fühlen…nein, ich bin sehr ruhig. Gut zu wissen. Ich atme tief ein und merke, wie ich dadurch sanft nach oben steige und plötzlich ist die Wolke weg und ich befinde mich in einer Art Werkstatt. Schraubstöcke, Drehbänke und jede Menge Regale, in denen noch Material liegt. Wenn der Techniker, der hier gearbeitet hat, den Dreck wegräumen würde, könne er sofort weiterarbeiten – wenn er nicht schon tot wäre. Wir untersuchen alle Gerätschaften mit großem Interesse, obwohl bei vielen Dingen unklar ist, wozu sie mal gedient haben. Das macht die Sache eigentlich noch spannender.

Jetzt wird es aber Zeit, wieder höher zu gehen – die Minutenanzeige auf meinem Computer ist schon ziemlich zusammengeschrumpft. Also Spezialslalom durch Eisenteile, große Handräder und Treppengeländer in die Richtung nach oben, die das blaue Leuchten uns weist.
Nach der dunklen Enge der Maschinenräume wirkt das offene Meer umso größer und die Fischschwärme wie bunte Staubkörner in einem blauen Universum.
Der letzte Abschnitt des Tauchgangs führt uns zum Bug. Auf dem Deck steht ein kleiner Betonsockel mit einer Gedenktafel, die an die toten Soldaten der Fujikawa Maru erinnert. Daneben haben Taucher etliche Gegenstände aus dem Schiff gelegt: Ich erkenne Schüsseln aus chinesischem Porzellan, eine Laterne und die Reste eines Feuerlöschers. Ich glaube, das ist das ungewöhnlichste Mahnmal, das ich je gesehen habe.


Bugkanone *)

Im krassen Gegensatz dazu steht die Bugkanone, die wie ein riesiger knorriger Baum über die Szenerie ragt. Das Kanonenrohr ist so dick mit Korallen bewachsen, dass man von der zylindrischen Form fast nichts mehr erkennt. Mann, ist das Ding riesig. Die leeren Geschoßhülsen, die ich vorhin im Laderaum gesehen habe, wurden also aus dieser Kanone abgefeuert – ein verzweifelter, letzter Versuch, sich mit der ungelenken Riesenwaffe gegen die die wendigen Hellcat- und Avenger-Flugzeuge der Amerikaner zu verteidigen.


Leere Geschoßhülsen im Laderaum

Eine Stelle an der Kanone ist blankgeputzt und die Jahreszahl 1899 ist zu lesen.

Mittlerweile wird es wirklich Zeit, mit dem Austauchen zu beginnen. Ich tauche zum Hauptmast und lasse mich ganz langsam auf 18m steigen. Unser Guide hat die Regel ausgegeben, in dieser Tiefe 2min Pause zu machen, damit unsere Lungen Gelegenheit haben, den Stickstoff im Blut abzuatmen. Dann höher auf 12m. Diesmal 3min Pause. Die letzte Auftauchpause steht auf 6m an – ganze 10 Minuten Pause sind hier geplant.

Derart lange Pausen bräuchte ich eigentlich gar nicht machen, da ich keine reine Atemluft, sondern ein spezielles Gemisch namens Nitrox atme. Das gibt mir in diesen Tiefen eine ziemlich große Zeitreserve. Allerdings sind meine Tauchpartner mit normaler Luft unterwegs und müssen die langen Pausen machen – zumal das schon unser dritter Tauchgang heute ist und die ersten beiden ziemlich tief waren.

Die Warterei macht mir aber nichts aus. Zum einen ist das nur zusätzliche Sicherheit für mich und zum anderen gibt es viel zu sehen. Der Mast ist ein kleines Korallenriff für sich: Überall wimmelt es von kleinen Fischen und in dieser geringen Tiefe ist es sehr hell und die Sonne malt herrliche Muster auf die bizarren Formen der Korallen. Da ich alle Zeit der Welt habe, umkreise ich den Mast in Superzeitlupe und schaue mir die Korallen aus 2cm Entfernung an: Warum war die Natur hier so verschwenderisch mit Formen und Farben? Dagegen kommt mir die Welt über der Oberfläche eintönig und langweilig vor. Ach Quatsch, vermutlich bin ich für die 1000 verschiedenen Grüntöne des Waldes nur schon zu abgestumpft. Dieser Tauchgang sollte helfen, die Sinne auch da oben wieder zu schärfen – hoffentlich.


Bewachsener Mast *)

Ich blicke nach oben. Der dunkle Leib unseres Schlauchbootes liegt genau über uns und die Wellen heben die Alu-Leiter rhytmisch aus dem Wasser. Wellen sehen von unten wunderschön aus.

Ich warte auf den passenden Moment und greife nach der Leiter. Die nächsten Sekunden gleichen einem kleinen Rodeo-Ritt, aber dann habe ich mich auf die Frequenz der Wellen eingestellt. Oben wartet schon Eric und ich reiche ihm meine Flossen hoch.
Mit jeder Sprosse wird mein Köper schwerer und unbeweglicher. Das war’s wieder mit Schwerelosigkeit.


Das Ende der Schwerelosigkeit

Tropfend setze ich mich auf die Bank und Eric nimmt mir meine Ausrüstung ab, während ich schon nach dem Wasserkanister greife, um den salzigen Geschmack aus meinem Mund zu vertreiben.
Ich schaue mir die Gesichter der anderen Taucher an – alle Augen leuchten. Ich freu’ mich schon auf den Moment, in dem es der erste nicht mehr aushält und fragt „Did you see the Zero Fighters?“. Oohh ja, die habe ich gesehen! Und ich will darüber reden!
Am Ende platzen wir alle vier gleichzeitig heraus und die Eindrücke blitzen wie in Zeitraffer durchs Gehirn. Es wird nicht das letzte Mal an diesem Tag sein, und sogar jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, kann ich die Fujikawa Maru unter mir auf dem Grund von Truk Lagoon liegen sehen.

*) Photo shot by Ralf, one of my diving buddies

5 Comments:

At Friday, May 18, 2007, Anonymous Anonymous said...

Sehr schöne Geschichte. Vielleicht die beste bisher.
MrO

 
At Sunday, May 20, 2007, Anonymous cel said...

i really tried to follow the story but I couldn´t, anyway you must have been really excited about writing about your trip, the longest posting since this blog started!

 
At Monday, May 21, 2007, Blogger SOe said...

Für diesen wunderbaren Post hat sich das lange Warten wirklich gelohnt. Einfach toll!

 
At Thursday, March 19, 2009, Anonymous Tracer said...

Toller Tauchgang, fantastisch und spannend geschrieben.

Gruß
Tracer

 
At Thursday, March 19, 2009, Blogger Kosmonaut said...

@Tracer: Danke fuer den netten Kommentar. War wirklich ein genialer Dive.

 

Post a Comment

Links to this post:

Create a Link

<< Home